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Erhaltung des Quran (teil 1 von 2): Auswendiglernen

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1577 2015/03/10 2024/11/21

Der prächtige Quran, die religiöse Schrift der Muslime, wurde dem Propheten Muhammad, möge Gott ihn loben, auf arabisch durch den Engel Gabriel offenbart.  Die Offenbarung fand Stück für Stück über einen Zeitraum von 23 Jahren statt, manchmal in kurzen Versen und manchmal in längeren Abschnitten.[1]


Der Quran (“lesen” oder “Rezitation”) ist scharf von den überlieferten Aussagen und Taten (Sunnah) des Propheten Muhammads abgegrenzt, die in besonderen Büchern gesammelt und aufbewahrt wurden und alle zusammen als “Ahadith” bezeichnet werden (“Nachrichten”, “Bericht” oder “Überlieferung”).  Wenn er eine Offenbarung erhielt, übernahm der Prophet selbst die Verpflichtung, die Botschaft seinen Gefährten zu übermitteln, indem er die Worte in ihrer Reihenfolge genau so rezitierte, wie er sie gehört hatte.  Das ist wichtig, denn dies umfasst sogar Gottes Worte die an ihn persönlich gerichtet waren, zum Beispiel: “Qul” (“Sprich [zu den Menschen], o Muhammad).  Der rhythmische Stil und beredte Ausdruck des Quran macht es leicht, ihn auswendig zu lernen.  In der Tat bezeichnet Gott diese Eigenschaften als essentiell für seine Erhaltung und Erinnerung (Q. 44:58; 54:17, 22, 32, 40), insbesondere in der arabischen Gesellschaft, die stolz auf ihre Orationen aus längeren poetischen Stücken war.  Michael Zwettler bemerkt, dass:


“in früheren Zeiten, als das Schreiben kaum genutzt wurde, wurde das Auswendiglernen und die mündliche Wiedergabe geübt und verstärkt bis zu einem Grad, der heutzutage nahezu unbekannt ist.”[2]


Große Teile der Offenbarung wurden also von einer großen Anzahl von Menschen in der Gemeinschaft des Propheten leicht auswendig gelernt.


Der Prophet ermutigte seine Gefährten, jeden Vers, der offenbart wurde, auswendig zu lernen und anderen beizubringen.[3]  Es ist ebenfalls bei den regelmäßigen gottesdienstlichen Handlungen eine Pflicht, aus dem Quran zu rezitieren, insbesondere bei den täglichen Pflichtgebeten (Salah).  Auf diese Weise lernten sie Passagen der Offenbarung, die ihnen häufig verlesen wurden, auswendig, erinnerten sie und verwendeten sie in ihren Gebeten.  Der gesamte Quran wurde von manchen Gefährten des Propheten verbatim (Wort für Wort) auswendig gelernt, unter diesen waren Zaid ibn Thabit, Ubayy ibn Ka’b, Muadh ibn Jabal und Abu Zaid.[4]


Aber nicht nur die Worte des Quran wurden auswendig gelernt, sondern auch deren Aussprache und Betonung. Später entwickelte sich daraus eine eigene Wissenschaft, die Tağwied genannt wird.  Diese Wissenschaft beleuchtet peinlichst genau, wie jeder einzelne Buchstabe betont wird, sowohl das Wort im Ganzen, als auch im Kontext mit anderen Buchstaben oder Worten.  Heutzutage können wir auf der ganzen Welt Menschen mit unterschiedlichen Sprachen finden, die in der Lage sind, den Quran zu rezitieren, als wären sie selbst Araber, die zur Zeit des Propheten gelebt haben.


Außerdem wurde die Reihenfolge oder Anordnung vom Propheten selbst vorgenommen und war den Gefährten wohlbekannt.[5]  In jedem Ramadhan wiederholte der Prophet in Gegenwart einer gewissen Zahl seiner Gefährten den ganzen Quran, indem er dem Engel Gabriel nachsagte (was dieser rezitierte), in seiner genauen Reihenfolge, soweit er offenbart war.[6]  Im Jahr seines Todes rezitierte er ihn zweimal.[7]  Auf diese Weise prägte sich die Anordnung der Verse in jedem Kapitel und die Reihenfolge der Kapitel in den Köpfen eines jeden anwesenden Gefährten ein.


Als die Gefährten sich in die verschiedenen Provinzen mit unterschiedlichen Bevölkerungen verstreuten, nahmen sie ihre Rezitationen mit sich, um sie anderen beizubringen.[8]  Auf diese Weise wurde derselbe Quran in den Köpfen vieler Menschen über weite Flächen des Landes verankert.


Tatsächlich wurde das Auswendiglernen des Quran im Verlauf der Jahrhunderte zu einer kontinuierlichen Tradition, mit Zentren / Schulen zum Auswendiglernen in der gesamten muslimischen Welt.[9]  In diesen Schulen lernen und studieren die Schüler den Quran zusammen mit seinem Tağwied zu Füßen ihres Lehrers, der sich dieses Wissen wiederum von seinem Lehrer angeeignet hat – eine “ununterbrochene Kette”, die bis zum Propheten Gottes zurückreicht.  Dieser Prozess dauert normalerweise drei bis sechs Jahre.  Nachdem die Beherrschung erreicht und die Rezitation auf Fehler oder Mängel überprüft worden ist, wird der Person eine formelle Bescheinigung (Iğaza) ausgestellt, die bestätigt, dass sie die Regeln der Rezitation beherrscht und den Quran jetzt auf die Art und Weise rezitieren kann, wie er von Muhammad, dem Propeten Gottes rezitiert worden war.


A.T. Welch, ein nicht-muslimischer Orientalist, schreibt:

“Für Muslime ist der Quran weit mehr als nur eine Schrift oder heilige Literatur in gewöhnlichem, westlichen Sinn.  Sein erstes besonderes Kennzeichen für die weite Mehrheit der Jahrhunderte war seine mündliche Form, die Form in der er zuerst aufgetaucht war, als die “Rezitation”, die Muhammad seinen Anhängern über einen Zeitraum von über zwanzig Jahren vorgesungen hat...  Die Offenbarungen wurden von einigen der Anhänger Muhammads zu seinen Lebzeiten auswendig gelernt, und die mündliche Weitergabe besitzt seit damals eine anhaltende Tradition, in mancherlei Hinsicht unabhängig und vorrangig vor dem geschriebenen Quran.  Über die Jahrhunderte hinweg hat sich die mündliche Tradition des gesamten Quran von den professionellen Lesern (Qurraa) aufrechterhalten.  Bis jetzt wird die Bedeutung des rezitierten Quran im Westen selten angemessen geschätzt.”[10]


Der Quran ist vielleicht das einzige Buch, religiös oder weltlich, das von Millionen Menschen vollständig auswendig gelernt wurde.[11]  Der führende Orientalist Kenneth Cragg bedenkt, dass:


“…dieses Phänomen der Quranischen Rezitation bedeutet, dass der Text in einer ungebrochenen lebendigen Sequenz der Frömmigkeit die Jahrhunderte durchquert hat.  Deshalb kann er weder wie ein antiquarisches Ding behandelt werden, noch aus weit entfernter Vergangenheit wie ein historisches Dokument.  Die Tatsache des Hifdh (Quran auswendig lernen) machte aus dem Quran einen gegenwärtigen Besitz durch den gesamten Verlauf der muslimischen Zeit hindurch und gab ihm eine menschliche Gültigkeit in jeder Generation, die niemals seine Verbannung zu einer bloßen Autorität allein zur Bezugnahme erlaubte.”[12]



Footnotes:

[1] Muhammad Hamidullah, Introduction to Islam, London: MWH Publishers, 1979, S.17.

[2] Michael Zwettler, The Oral Tradition of Classical Arabic Poetry, Ohio State Press, 1978, S.14.

[3] Sahieh Al-Bukhari Vol.6, Hadith No.546.

[4] Sahieh Al-Bukhari Vol.6, Hadith No.525.

[5] Ahmad von Denffer, Ulum al-Quran, The Islamic Foundation, UK, 1983, S.41-42; Arthur Jeffery, Materials for the History of the Text of the Quran, Leiden: Brill, 1937, S.31.

[6] Sahieh Al-Bukhari Vol.6, Hadith No.519.

[7] Sahieh Al-Bukhari Vol.6, Hadith Nos.518 & 520.

[8] Ibn Hisham, Sierah al-Nabi, Cairo, n.d., Vol.1, S.199.

[9] Labib as-Said, The Recited Koran, übersetzt von Morroe Berger, A. Rauf, und Bernard Weiss, Princeton: The Darwin Press, 1975, S.59.

[10] The Encyclopedia of Islam, ‘The Quran in Muslim Life and Thought.’

[11] William Graham, Beyond the Written Word, UK: Cambridge University Press, 1993, S.80.

[12] Kenneth Cragg, The Mind of the Quran, London: George Allen & Unwin, 1973, S.26.

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