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Rechte der Bürger gegenüber dem Herrscher

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896 2019/02/18 2024/04/25

 

Die Rechte der Bürger gegenüber dem Herrscher lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:

 

1) Der Herrscher muss die Bürger in Gerechtigkeit so regieren, dass er jedem Bürger sein Recht zukommen lässt. Er muss auch bei Verteilung der Aufgaben und beim Richten zwischen ihnen gerecht sein. Er darf keine gesellschaftliche Gruppe anderen Gruppen vorziehen, weil der Prophet sagte:

 

“Am liebsten und am nächsten zu Allah steht am Tage der Auferstehung der gerechte Herrscher, und am verhassten zu Allah steht am Tage der Auferstehung der ungerechte Herrscher, der die schlimmste Pein leiden muss.”[1] 

 

2) Er darf seine Bürger nicht betrügen:

 

“Kein Herrscher betrügt sein Volk, das Allah ihm zur Führung anvertraut, ohne dass Allah ihm den Zugang ins Paradies verbietet.”[2] 

 

3) Er muss sich von seinen Bürgern in den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten beraten lassen.

 

Die Beratung besteht in den Angelegenheiten, die von der Überlieferung nicht im Einzelnen behandelt wurden. Bei den klaren Entscheidungen, die Allah der Erhabene getroffen hat, gibt es keine Beratung. Darin sind alle Muslime einig, Herrscher wie Volk. Das Volk muss die Chance und die Freiheit dazu haben, sich zu den Fragen zu äußern, die seine Interessen betreffen. Der Herrscher muss diese Ansichten annehmen, wenn er sie zutreffend und richtig findet. Der Qur`an betont das Prinzip der Beratung, indem er von Muhammad und seinen Anhängern sagt:

(Es ist um Allahs Barmherzigkeit willen, dass du ihnen gegenüber umgänglich warst. Wärst du grob und hartherzig gewesen, wären sie rings um dich fortgelaufen. So verzeihe ihnen und bitte für sie um Vergebung und ziehe sie zu Rate in den Angelegenheiten.) (Qur´an 2:159).

   Der Gesandte Allahs hat bei der Schlacht von Badr die Muslime zu Rate gezogen, als er die Truppen an einem Ort stationieren wollte, der entfernt von den Wasserquellen lag. Ein Gefährte fragte ihn: „Gesandter Allahs, ist das ein Ort, den Allah  für dich gewählt hat oder ist es die Kriegstaktik, die entscheidet?“ – „Es ist die Kriegstaktik,“ sagte der Prophet. So gab der Gefährte seinen Rat: „Wir sollen uns jenseits der Wasserquellen stationieren, damit wir zum Wasser näher kommen und unseren Feind davon fernhalten.“ Der Prophet fand diese Idee passend und setzte sie in die Tat um.

 

4) Er muss das Gesetz Allahs als Ausgang und Quelle seiner Regierung nehmen. Das islamische Gesetz muss die Verfassung sein, nach welcher der Herrscher sein Volk regiert. Da gibt es keinen Raum für persönliche Erwägungen oder eigene Neigungen, es gibt keinen Raum für spontane Entscheidungen, die richtig oder falsch sein können. Es gibt nur Allahs Gesetz. Der zweite Kalif, Omar, sagte eines Tages zu Abu Mariam As-Saluly, dem Mörder von Zaid Ibn Al-Khattab, dem Bruder Omars: „Bei Allah, ich habe dich nicht lieb und werde es nicht tun, bis die Erde das Blut liebt.“ Darauf sagte Abu Mariam: „Wird das mich an etwas von meinem Recht verhindern?“ – „Nein“, sagte Omar. Da sagte Abu Mariam: „Das macht mir also nichts, wegen der Liebe sind nur Frauen traurig.“

 

5)Der Herrscher darf sich von seinem Volk nicht fernhalten und sich hinter geschlossenen Türen verstecken, so dass das Volk keinen Zugang zu ihm findet. Er darf auch im Umgang mit den Bürgern nicht übermütig oder hochnäsig sein. Er darf keine Vermittler zwischen sich und dem Volk einsetzen, die  nur denjenigen zu ihm zulassen, den sie wollen und demjenigen den Weg versperren, der ihnen nicht gefällt. Der Prophet warnte vor so einem Verhalten, indem er sagte:

 

“Wer etwas von der Herrschaft über die Muslime übernimmt und sich dann von ihnen zurückzieht, so dass er ihrer Not, ihrem Bedürfnis, ihrer Bedürftigkeit und ihrer Armut nicht entgegenwirkt, von ihm wird Sich Allah am Tage der Auferstehung von ihm zurückziehen und seiner Not, seinem Bedürfnis, seiner Armut und seiner Bedürftigkeit nicht entgegenwirken.”[3]


6)  Er muss Gnade und Barmherzigkeit gegenüber seinem Volk zeigen. Er darf seinen Untertanen keine schweren Belastungen auferlegen, die sie nicht aushalten können, oder sie in Lebensbedrängnisse treiben. Der Prophet verwünschte solche Herrscher, für die Guten aber bat er um Segen:

 

“O Allah, wer etwas von der Herrschaft über meine Gemeinde übernimmt und ihr schwere Last aufbürdet, so dass meine Gemeinde dadurch nur mit Mühe rauskommt, so bürde ihm eine schwere Last auf, und wer mit meiner Gemeinde in Milde umgeht, so sei ihm mild.”[4] 

 

   Die ersten muslimischen Herrscher erkannten die gefährliche Verantwortung, die die Herrschaft mit sich bringt. Omar Ibn Al-Khattab sagte in diesem Zusammenhang:

 

„Bei Allah, wenn ein Maultier im Irak stolpert, so befürchte ich, dass mich Allah danach fragen würde, warum ich ihm den Weg nicht ebnete.“

 

   Der muslimische Herrscher muss sich bemühen, um die schönen Eigenschaften zu gewinnen, die einmal Al-Hassan Al-Basry zum Ausdruck brachte, als er einen Brief an Omar Ibn Abdel-Aziz schickte, in dem steht:

 

   Wisse, o Emir der Gläubigen, dass Allah  den gerechten Herrscher zu einer geraden Stütze macht, die alles Schiefe zurechtrückt; er macht ihn zum Ziel eines jeden Verlegenen, zum Richtigsteller von allem Verdorbenen, zum Bestärker alles Schwachen, zum Wiederhersteller der Gerechtigkeit für jeden, der Unrecht leidet, und zum Ort der Zuflucht für jeden Besorgten. Der gerechte Herrscher, o Emir der Gläubigen, ist wie ein milder Hirte, der seine Kamele zu den besten Weiden führt, sie von den Gefahrstellen wegtreibt, vor den Raubtieren, vor Kälte und Hitze schützt. Der gerechte Herrscher, o Emir der Gläubigen, ist wie ein liebevoller Vater, der seine Kinder versorgt, sie belehrt, bis sie groß sind, der für sie arbeitet, solange er am Leben ist, und für sie spart, damit sie nach seinem Tod würdig leben können. Der gerechte Herrscher, o Emir der Gläubigen, ist wie eine Mutter, die ihrem Kind gegenüber gnädig ist, die es unter widrigen Umständen ausgetragen und unter widrigen Umständen geboren hat. Sie zieht es groß, verbringt die Nacht wach, wenn es wach bleibt, wird still, wenn es still wird, sie stillt es einige Zeit und entwöhnt es einige Zeit, sie wird froh, wenn es gesund ist, und wird betrübt, wenn es eine Klage hat.                                     

   Der gerechte Herrscher, o Emir der Gläubigen, ist wie ein Vormund der Waisen und wie ein Schatzmeister der Bedürftigen, der die kleinen von ihnen aufzieht und die großen finanziert. Er ist wie das Herz zwischen den inneren Organen, die gut werden, wenn es gut bleibt, und die verderben, wenn es verdorben ist. Der gerechte Herrscher ist wie ein Zwischenhändler zwischen Allah und Seinen Dienern, er hört Allahs Worte und lässt sie diese hören, er sieht Allah  und lässt sie Ihn sehen, er gehorcht Allah und lässt sie Ihm gehorchen. O Emir der Gläubigen, sei im Umgang mit dem, was Allah  dir anvertraute, nicht wie ein Sklave, dessen Herr ihm Aufsicht über sein Vermögen und seine Kinder anvertraut hat, der aber das Vermögen verschwendet und die Kinder verjagt.

   Wisse, Emir der Gläubigen, dass Allah die gesetzlichen Bestrafungen bestimmt hat, damit er die Menschen von Schand- und Freveltaten abschreckt; wie wäre es, wenn derjenige diese Taten beginge, dem die Bestrafung dafür anvertraut wird? Allah hat die Vergeltung zu einem Teil des Gottesdienstes gemacht, wie wäre es, wenn derjenige die Menschen tötet, dem die Vergeltung für ihr Blut anvertraut wird?


   Gedenke, o Emir der Gläubigen, des Todes und dessen, was nach ihm kommt. Da hast du wenig Anhänger und Unterstützer gegen ihn. Vermehre deinen Reisevorrat für die Begegnung mit dem Tod und für den Tag des großen Schreckens.

   Wisse, Emir der Gläubigen, dass für dich eine andere Stelle bestimmt wurde, als deine heutige. An jener Stelle wirst du lange verweilen, lange liegen; da lassen dich deine Geliebten und verlassen dich in der Tiefe dieser Stelle, da bist du alleine, einzeln. Nimm deinen Vorrat, der dich an dieser Stelle begleitet.

(An jenem Tag flieht einer vor seinem Bruder, seiner Mutter, seinem Vater, seiner Gefährtin und seinen Söhnen.)   (Qur´an 80:34-36)

Gedenke dessen,

(Wenn das, was in den Gräbern ist, aufgewühlt wird und das, was im Innern der Menschen ist, im Ergebnis erfasst wird.)   (Qur´an 100:10-11).


 Da werden die Geheimnisse verraten, da lässt das Buch

(Weder die kleinste noch die größte (Sünde), ohne sie zu erfassen.  (Qur´an 18:49)

 

   Jetzt hast du, o Emir der Gläubigen, eine Frist, bevor der Moment des Todes kommt und die Arbeit abgebrochen wird. Richte, o Emir der Gläubigen, zwischen Allahs Knechten nicht mit dem Gesetz der Unwissenden und führe sie nicht auf dem Wege der Ungerechten. Lasse die Hochmütigen nicht auf die Schwachen los, denn sie beachten einem Gläubigen gegenüber weder Verwandtschaft noch Schutzbund, sonst kommst du mit deinen Sünden und mit den Sünden anderer, mit deinen Lasten und den Lasten anderer vor Allah. Lasse dich nicht durch jene irreführen, die gerade das genießen, in dem dein Elend besteht, die sich nun damit appetitlich beköstigen, was deine Beköstigungen im Jenseits vernichtet. Schaue nicht auf deine Macht heute, sondern schaue auf sie morgen, wenn du mit den Seilen des Todes gefesselt wirst, wenn du vor Allah und in Anwesenheit der Engel, Propheten, Gesandten stehst:


(Die Gesichter werden sich demütig senken vor dem Lebendigen, dem Beständigen.  (Qur´an 20:111)


   O Emir der Gläubigen, auch wenn ich mit meiner hiesigen Ermahnung den Stand der Einsichtigen, die vor uns lebten, nicht erreichen konnte, so habe ich es an nichts fehlen lassen in der Liebe zu dir und darin, dir aufrichtigen Rat zu geben. Betrachte meinen Brief zu dir als einen Akt des Mediziners, der seinen Lieben verhasste Medikamente verabreicht, weil er darin Hoffnung auf seine Genesung und Besserung hegt. Friede und Gnade Allahs seien auf euch.“



[1] Al-Termedhi. Bd. 3. S. 617. Hadithnr. 1329.

[2] Muslim. Bd. 1. S. 125.  Hadithnr.  142.

[3] Sahih Al-Gami Al-Saghir. Hadithnr. 6595

[4] Muslim. Bd. 3. S. 1458. Hadithnr. 1828.

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