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Verbannung

Auther : Mohamed Mohanad Abu Kalam
1078 2022/01/27 2024/10/14

Einer der Gegner des Islams, unter dem die Muslime viel zu leiden hatten, war Umar Bin Al-Chattab. Er war ein Neffe Abu Dschahls

und ein gefürchteter Mann in Mekka, bekannt für seinen Mut, aber auch für sein heftiges Temperament. Außerdem war er ein gebildeter Mann, der des Lesens und Schreibens kundig war.

Umar empfand das Verhalten der Muslime als Verrat an den Vorvätern. So kam es, dass er sich entschied, die Quelle des Problems zu beseitigen. Er fasste den Entschluss, Muhammad zu töten. Unterwegs, mit dem Schwert in der Hand, begegnete er Nu‘aym, der ihn  fragte, wohin er denn gehe.

Als Umar ihm von seiner Absicht erzählte, wandte Nu‘aym ein: „Wie willst du dich vor der Rache der Bani Haschim schützen, wenn du
Muhammad tötest? Du solltest dich besser um deine eigene Familie kümmern, denn deine Schwester Fatima und ihr Mann sind  längst Muslime geworden und folgen Muhammad.“

Sofort machte sich Umar auf den Weg zum Haus seiner Schwester und seines Schwagers.

Als er schon ganz nahe war, hörte er, wie jemand etwas vorlas. Wütend pochte er an die Tür und verlangte Einlass. Bei seiner Schwester war gerade Chabbab, einer der Gefährten des Propheten, der sie und ihren Mann Koranverse lehrte, die auf Pergament geschrieben waren. Als sie hörten, wer an der Tür war, erschraken sie. Schnell versteckten sie Chabbab und das Pergament mit den Koranversen; dann ließen sie ihn herein. Umar herrschte sie an: „Was war das, was ich da eben gehört habe?“

„Du hast nichts gehört!“, erwiderten die beiden. „Doch“, beharrte E 75 Umar, „und ich habe auch erfahren, dass ihr Muhammads Religion folgt!“ Nun griff er Said an. Fatima wollte ihrem Mann zu Hilfe eilen, aber Umar schlug ihr so heftig ins Gesicht, dass sie blutete. Da bekannte sie mutig: „Ja, wir glauben an Allah und an Seinen Gesandten, so mach doch mit uns, was du willst.“ Als Umar seine Schwester blutend vor sich stehen sah, tat ihm sein Verhalten leid und er schämte sich für das, was er ihr angetan hatte.

„Würdest du mich einen Blick in den Koran werfen lassen?“, fragte er. Nach langem Zögern gab ihm Fatima das Pergament mit den Koranversen, welches sie verborgen hatte. Es enthielt die ersten acht Verse der Sure 57. Als Umar zu Ende gelesen hatte, rief er: „Wie schön und edel sind diese Worte!“ 

Chabbab, der dies gehört hatte, kam aus seinem Versteck hervor und sagte: „Umar, ich hoffe, Allah hat dich durch das Gebet  Seines Propheten auserwählt, denn ich hörte ihn gestern beten: „O Allah, stärke den Islam mit ‘Amr Bin Hischam, Abu Dschahl, oder mit Umar Bin Al-Chattab!“

Umar nahm sein Schwert und fragte, wo er den Propheten finden könne. Dieser saß gerade mit einigen Gefährten und Gefährtinnen in einem Haus am Hügel Safa zusammen.

Umar klopfte an die Tür. Einer der Gefährten sah durch einen Spalt, dass es Umar war, mit gezogenem Schwert, und sagte es angsterfüllt den anderen.

Hamza rief: „Macht ihm die Tür auf! Wenn er Gutes will, werden wirihm mit Gutem begegnen; wenn er aber Böses will, dann töten wir ihn mit seinem eigenen Schwert!“

Als die Türe aufging, ergriff ihn der Prophet sogleich an seinem Gürtel und seinem Gewand, zog ihn kräftig zu sich und fragte: „Was führt dich hierher, o Sohn des Chattab?“

„O Gesandter Allahs, ich komme, um an Allah und an Seinen Gesandten zu glauben und an das, was er von seinem Herrn gebracht

hat“, erklärte Umar.

Die Freude des Propheten und seiner Anhänger war groß. „Allahu 76 akbar! – Allah ist der Größte!“, schallte es durch ganz Mekka.

Bislang hatten die Muslime ihren Glauben vor den Mekkanern verheimlichen müssen und konnten ihre Gebete nicht in  der Öffentlichkeit verrichten.

Umar jedoch wollte jedem seinen Islam bekanntgeben. Er erzählte: „Als ich Muslim wurde, überlegte ich mir, wer in Mekka  dem Gesandten Allahs am meisten wehgetan hatte, um zu ihm zu gehen und ihm zu sagen, dass ich Muslim geworden war. Ich sagte mir: ‚Abu Dschahl!‘ Also ging ich am nächsten Morgen, gleich nachdem ich aufgewacht war, zu Abu Dschahl und klopfte an seine Tür. Er kam heraus und sagte: ‚Willkommen, Sohn meiner Schwester! Was hat dich zu mir geführt?‘ Ich sagte: ‚Ich komme, um dir zu sagen, dass ich an Allah und an Seinen Gesandten Muhammad glaube, und dass ich an das glaube, was er brachte!‘ Er schlug mir die Tür ins Gesicht und schrie: ‚Allah verfluche dich, und verflucht sei das, womit du ge-kommen bist!‘

Nun erkundigte sich Umar, wer von den Quraisch am schnellsten Nachrichten verbreite. Es wurde ihm Jamil Al-Jumahi genannt. So ging er zu ihm und sprach ihn an: „O Jamil, hast du nicht gehört, dass ich Muslim geworden und in die Religion von Muhammad eingetreten bin?” Kaum hatte er seinen Satz beendet, als Jamil auch schon losrannte. Er lief so schnell er konnte, bis er die Kaaba erreichte und dort lauthals schrie: „O ihr Quraisch! Umar ist abtrünnig geworden!” Umar rief: „Nein, ich bin Muslim geworden, und ich bezeuge, dass niemand das Recht hat, angebetet zu werden, außer Allah, und dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist!”139 Bald wusste jeder, dass Umar den Götzendienst aufgegeben hatte.

Umar bat den Propheten, bei der Kaaba beten zu dürfen, denn es erschien ihm unerträglich, dass die Quraisch öffentlich Steine anbeteten, während die Gläubigen Allah im Geheimen verehren mussten. Er selbst führte einen Teil der Muslime dorthin, und ein zweiter Teil wurde von Hamza geführt. Als alle beisammen waren, wurde das Gebet unter der Leitung des Propheten gemeinsam verrichtet. Es war das erste Gebet dieser Art bei der Kaaba,

Nachdem Umar und Hamza den Islam angenommen hatten, gewann dieser unter den arabischen Stämmen an Beliebtheit. Die Quraisch sahen das Wachsen des Islams mit großem Unbehagen und waren nun zu immer härteren Schritten bereit. Sie beschlossen einen Boykott gegen die Bani Haschim und die Bani Abdul-Muttalib, die beiden Stämme, die Muhammad schützten, und schrieben eine Urkunde, „dass niemand eine Ehe mit den Frauen und Männern dieser beiden Sippen eingehen dürfe, und nichts mehr an sie verkauft oder von ihnen gekauft werden dürfe.“ Es wurden also alle Angehörigen dieser Sippen kollektiv bestraft, die Muslime wie auch die Götzendiener, außer Abu Lahab, der den Quraisch gegen seine eigene Sippe half. Die auf ein Pergament geschriebenen Bedingungen wurden in der Kaaba aufgehängt.

Gegen den Boykott konnten nicht einmal Hamza und Umar etwas tun, da der Prophet ihnen die Anwendung von Gewalt untersagte.

Der Boykott währte drei Jahre. Die beiden Sippen hatten sich auf Abu Talibs Rat hin in ein Tal außerhalb Mekkas zurückgezogen. Sie waren Hunger und Entbehrungen ausgesetzt, da sie durch die Bedingungen des Boykotts nicht mehr in der Lage waren, sich mit dem
Lebensnotwendigen zu versorgen. Kam eine fremde Karawane mit Waren in die Stadt, trieben die Quraisch die Preise in die Höhe, um zu verhindern, dass die Bani Haschim deren Waren kaufen konnten. Es kam so weit, dass sie sich von Blättern ernähren mussten

Abu Dschahls Hass war so groß, dass er den Hungertod von Menschen – Muslimen und Götzendienern – in Kauf nahm. Eines Tages hielt er Chadidschas Neffen Hakim an, als dieser mit einem Sklaven, der einen Sack Mehl trug, an ihm vorbeiging. Abu Dschahl beschuldigte die beiden, den Bani Haschim Nahrung zu liefern. Es kam zu einem Streit, zu dem auch Abul Bachtari141 stieß. Dieser hob einen Kamelknochen auf und schlug ihn auf Abu Dschahls Schädel, so dass dieser zu Boden stürzte. Dann traten sie ihn mit den Füßen, was Hamza, der in der Nähe war, auch sah. Weder Abul Bachtari noch Hakim waren Muslime, aber es schien ihnen eine Schande, ihre Solidarität mit den Unterdrückten nicht zu zeigen.

Auch andere Mitglieder der Quraisch schämten sich für das, was sie ihren eigenen Stammesangehörigen antaten.

Einer von ihnen war Hischam Bin ‘Amr, ein edler Mann und einer derer, die sich entschlossen, etwas dagegen zu unternehmen

Oft ging er nachts mit seinem Kamel zur Einmündung der Schlucht, in welcher sich die beiden boykottierten Stämme aufhielten, und ließ dann den Zügel seines Tieres, das er mit Nahrung oder Kleidung beladen hatte, los, damit es zu den Hungernden lief.

Eines Tages machte Hischam sich auf den Weg zu Zuhair, einem jungen Mann, dessen Mutter Atika eine Tante des Propheten war. Er fragte ihn: „Zuhair, wie kannst du ruhig schlafen, wenn deine Verwandten arm und rechtlos sind und kaum noch das Nötigste zum Leben haben?“

„Wehe dir, Hischam, was soll ich machen?“, antwortete Zuhair, „Ich bin nur ein einzelner Mann! Hätte ich einen anderen Mann mit mir, wäre ich bereit, mich für die Aufhebung des Boykotts einzusetzen!“
„Du hast bereits einen zweiten Mann gefunden!“
„Wer ist es?“
„Ich!“

„Ich!“
„Dann finde noch einen dritten!“

Er ging zu Mut‘im Bin Uday143 und sagte zu ihm: „O Mut‘im, wie kannst du beim Untergang der zwei Sippen Abd Manafs ruhig und
zufrieden sein? Bei Allah, wenn ihr tatenlos zuseht, werdet ihr selbst schneller drankommen als ihr glaubt!“.
„Wehe dir, was soll ich alleine machen? Ich bin ein einziger Mann! Hätte ich einen anderen Mann mit mir…“
„Du hast bereits einen anderen Mann gefunden!“
„Wer ist es?“
„Ich!“
„Dann finde noch einen dritten!“
„Einen dritten Mann habe ich schon!“
„Wen hast du gefunden?“
„Zuhair Bin Abi Umayya“, antwortete Hischam.
„Dann suche einen vierten Mann!“
Hischam lief gleich zu Abul Bachtari und – nachdem auch dieser  überzeugt war – zu Zama‘a Bin Aswad.144 Zama‘a war immer gegen
den Boykott gewesen, weil er es nicht dulden konnte, den eigenen Stammesbrüdern so etwas anzutun. Nun waren sie fünf wichtige Männer, die nur noch eine Idee brauchten, wie sie es am besten anfingen. Sie trafen sich in der Nacht außerhalb Mekkas. Dort einigten sie sich für den nächsten Morgen auf einen Plan. Als der Morgen anbrach und die Quraisch in ihren Versammlungen erschienen, ging auch Zuhair in festlicher Kleidung zur Kaaba und umschritt sie siebenmal. Sodann stellte er sich vor die Leute und rief:
„Ihr Bewohner von Mekka! Wollen wir noch länger mit ansehen, wie unsere Verwandten vom Stamm der Bani Haschim hungern? Wie könnt ihr noch essen und euch kleiden angesichts dieser Ungerechtig-keit? Ich sage euch, wir werden nicht nach Hause gehen, bevor nicht diese ungerechte Boykotturkunde zerrissen wird!“ 

„Du lügst, wir werden sie nicht zerreißen!“, schrie Abu Dschahl zornig

Bei Allah, du bist ein größerer Lügner, denn wir waren nie damit einverstanden, dass diese Urkunde geschrieben wurde!“, fiel Zama‘a
ihm ins Wort.

Jetzt stand Abul Bachtari auf und rief: „Zama‘a sagt die Wahrheit, wir sind nicht einverstanden mit dem, was geschrieben wurde und wir erkennen es nicht an!“.

Auch Mut‘im bestätigte: „Die beiden sprechen die Wahrheit, und wer etwas anderes behauptet, der lügt! Wir sind, was diese Urkunde angeht und was darin steht, Allah gegenüber unschuldig!“.

Hischam Bin ‘Amr sprach ähnlich wie seine Vorredner. Abu Dschahl kochte vor Wut und schrie: „Diese Sache ist eine Verschwörung, die ihr in der Nacht ausgeheckt habt!“ Doch als er sich umschaute, begriff er, dass die meisten Leute auf dem Platz gegen ihn und gegen den Boykott waren.

Dem Propheten Muhammad wurde inzwischen offenbart, dass Termiten die Urkunde gefressen hätten – nur die Worte „In Deinem
Namen, o Allah!“ seien erhalten geblieben.

Er erzählte dies seinem Onkel Abu Talib, der sich sofort auf den Weg machte, um die Nachricht zu überbringen. Als der Streit anfing, hatte er neben der Kaaba gesessen. Nun richtete er den Streitenden aus, was sein Neffe gesagt hatte. Wenn es stimmte, dann dürfte die Urkunde keine Gültigkeit mehr haben! Die meisten waren der Ansicht, dass dies nur gerecht wäre.

Während die Männer noch mit Abu Dschahl stritten, machte sich Mut‘im auf, die Urkunde aus der Kaaba zu holen, um sie zu zerreißen. Als er sah, dass die Urkunde tatsächlich zerfressen worden war, außer den Worten „Bismikallahumma – In Deinem Namen, o Allah!“, staunte er.

Der Unterdrückungsvertrag wurde nichtig, und der Prophet und seine Anhänger kehrten in ihre Häuser zurück.145 Für die Götzendiener war dies ein weiteres Zeichen für das Prophetentum Muhammads, doch: „Wenn sie ein Zeichen sehen, wenden sie sich ab und sagen: ‚Fortdauernde Zauberei.‘

Die Quraisch sahen mit Besorgnis die wachsende Sympathie für die Werte des Islam.147 Sie begriffen, dass es nichts nützte, den Gesandten der Zauberei zu bezichtigen. Auch ihre Embargopolitik und andere Versuche, ihn unbeliebt zu machen, fruchteten nicht. So beschlossen sie, Muhammad umzubringen.

Aber wie sollten sie das anstellen? Wie ein Lauffeuer hatte es sich überall herumgesprochen: Allah hat einen neuen Gesandten geschickt! Muhammad ist der lang ersehnte Prophet Allahs!.

Immer mehr Menschen wollten wissen, was der neue Prophet zu sagen hatte; aus allen Teilen Arabiens strömten Besucher zu ihm nach Mekka. Er nahm sich Zeit für jeden von ihnen – so auch für die etwa zwanzig Christen, die aus Nadschran zu ihm kamen. 

Sie stellten dem Propheten viele Fragen. Er antwortete ihnen ausführlich, lud sie zum Islam ein und rezitierte aus dem Koran. Als sie die berührenden Worte hörten, liefen Tränen über ihre Wangen und sie erkannten, dass Muhammad der von Allah gesandte Prophet war, über den sie schon in ihren Schriften gelesen hatten.

Als sie gehen wollten, hielten Abu Dschahl und einige andere Männer der Quraisch sie auf und sagten: „Euer Volk hat euch entsandt, um für sie Informationen über diesen Mann zu sammeln! Doch kaum habt ihr euch zu ihm gesetzt, da habt ihr ihm schon geglaubt und eure Religion verlassen. Wie kann man nur so dumm sein!“.

Diese Delegation bestand aber aus gebildeten Leuten, die nicht bereit waren zu streiten, und sie erwiderten: „Salamun alaikum – Friede sei mit euch; wir möchten kein niveauloses Gespräch führen. Wir haben unsere Taten zu verantworten und ihr die euren.“ Damit wandten sie sich von ihnen ab.

Inzwischen erreichte eine übereilte Nachricht Abessinien, dass nämlich alle Mekkaner rechtgeleitet seien und ihre Götzenbilder und ihren Aberglauben aufgegeben hätten. Viele der Auswanderer kehrten daraufhin erleichtert zurück. Dschaafar und einige andere hingegen wollten noch abwarten

Die drei Jahre des Boykotts waren überstanden und die Muslime begannen, sich zu erholen. Bald aber folgten zwei traurige Ereignisse aufeinander.

Zuerst wurde Abu Talib krank. Seine Krankheit kam nicht überraschend, denn er hatte in den letzten Jahren, wie die meisten, sehr
unter dem Boykott gelitten

Die Quraisch sahen hierin eine mögliche Gefährdung ihres Planes, den Propheten zu töten. Sie fürchteten um ihren Ruf unter den arabischen Stämmen, falls sie den Tod des alten Mannes ausnutzten, um Muhammad zu schaden. Deshalb gingen die Führer der Quraisch, Utba, Schayba, Abu Dschahl, Umayya und Abu Sufyan150 zu Abu Talib, der in seinem Bett lag, und sprachen: „Abu Talib! Du weißt, welche Stellung du bei uns hast, und du siehst, in welcher Lage du dich befindest. Wir haben Angst, dass du stirbst! Und du weißt auch, was zwischen uns und deinem Neffen ist. Vermittle doch zwischen uns!“

Abu Talib schickte nach Muhammad. Als dieser erschien, richtete er sich auf und sagte zu ihm: „O mein Neffe! Dies sind die Edlen deines Volkes, die versammelt sind, um dir zu geben und von dir zu nehmen!“ Der Prophet sagte: „Ja, ihr sollt mir nur ein einziges Wort geben, womit ihr die Araber und die Nichtaraber beherrschen werdet!“

Abu Dschahl antwortete: „Ja, sogar zehn Worte!“

Der Prophet sagte: „Sprecht: ‚Ich bezeuge, dass es keinen Anbetungswürdigen gibt, außer Allah‘ und hört auf, etwas anderes neben Ihm anzubeten!“ 

Sie klatschten in die Hände und sagten: „Machst du, o Muhammad, die Götter zu einem einzigen Gott? Das ist fürwahr etwas sehr Verwunderliches!“ Dann gingen sie wieder und sagten zueinander: „Dieser Mann wird euch nichts von dem geben, was ihr erreichen wollt. Deshalb geht und haltet beharrlich an der Religion eurer Väter fest, bis Allah zwischen euch und ihm richtet!“ Dann zerstreuten sie sich.

Allah zwischen euch und ihm richtet!“ Dann zerstreuten sie sich. Bei Allah! Mein Neffe, ich sehe nicht, dass du das Maß überschritten hast bei dem, was du fordertest“,151 sprach Abu Talib zum Propheten und ließ sich wieder auf sein Lager fallen. Der Prophet verabschiedete sich.

Nicht lange danach starb Abu Talib. Nun war der Rückhalt des Propheten in seinem Stamm sehr schwach geworden.

Doch das Unglück sollte noch größer werden. Kurze Zeit nach Abu Talib starb Chadidscha, die Frau des Propheten. Sie war ihm nicht nur eine treue Ehefrau, sondern auch eine aufrichtige Stütze und geduldige Freundin gewesen, mit der er fünfundzwanzig glückliche Jahre verbracht hatte. Muhammad, dem verheißenen Propheten, war sie eine Beschützerin, Muhammad, dem Tapferen, eine Inspiratorin, und Muhammad, dem Auserwählten, eine Quelle der Gewissheit, der Geborgenheit, des Friedens und des Vertrauens. Chadidscha war seine erste Frau, und solange sie lebte, heiratete er keine andere. Vier Töchter hatten die beiden miteinander: Zaynab, Ruqayya, Umm Kulthum und Fatima. Als ihre Mutter starb, waren die Mädchen erschüttert und von Trauer erfüllt. Der Prophet tröstete sie, indem er sie daran erinnerte, was der Engel Gabriel ihm einst gesagt hatte: „Richte Chadidscha von Allah, unserem Herrn, den Friedensgruß aus! Und sage ihr, dass für sie eine Wohnstatt im Paradies vorbereitet ist.“152 Schon zu ihren Lebzeiten hatte er manches Mal den Finger zum Himmel gerichtet und gesagt: „Mariam, die Mutter Jesu, ist dort die Beste“, und – den Finger zur Erde – „Chadidscha ist hier die Beste.

Das Jahr, in dem Chadidscha und Abu Talib starben, nannten die Muslime fortan „Das Jahr der Trauer“. Chadidscha erhielt den Titel „Die erste Muslima“ und „Die erste Mutter der Gläubigen“, wodurch sie vor allen muslimischen Frauen und den anderen Müttern der Gläubigen ausgezeichnet ist. Sie war die erste Frau im Islam, der das Paradies versprochen wurde.

Nachdem Chadidscha und Abu Talib gestorben waren, begann für den Propheten eine Zeit voller Schwierigkeiten und Härten. Abu Talib hatte ihn stets geschützt. Jetzt aber war er tot, und die Quraisch fingen an, ihm so viel Leid anzutun, wie sie es zuvor nie gewagt hätten. Er wurde mit Gemeinheiten, die an die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit gingen, auf die Probe gestellt.

Ein frecher Bursche von den Quraisch lauerte ihm in der Stadt auf und warf Dreck auf seinen Kopf. Als er zu Hause ankam, weinte seine Tochter darüber und wusch ihm die Haare. All diese Demütigungen aber führten nur dazu, dass er sich mit seinem Herzen noch mehr Allah zuwandte, in der Gewissheit, dass Seine Hilfe kommen würde. Er sagte zu seiner Tochter: „Weine nicht, o meine Tochter! Allah wird deinen Vater schützen!“ Aber er sagte zwischendurch auch: „Die Quraisch taten mir so etwas Hassenswertes nicht an, bis Abu Talib starb. 

Der Verlust Chadidschas hinterließ bei Muhammad tiefe Trauer. Er trug nun allein die Last der Verantwortung für seine Botschaft und seine Gemeinde sowie für die Betreuung und Erziehung seiner Töchter.

In der ersten Zeit nach ihrem Tod versuchte niemand, ihm eine neue Heirat vorzuschlagen. Es war auch fraglich, ob er überhaupt noch einmal heiraten würde. Seine glücklichen Jahre als Ehemann hatte er mit Chadidscha verbracht. Außerdem – wenn er überhaupt noch einmal heiratete – wer sollte die Ehre haben, die Frau des Gesandten zu werden?

Eine mitfühlende Gefährtin namens Chaula Bint Hakim war es, die sich schließlich bemühte, den Propheten von der Notwendigkeit einer neuen Ehe zu überzeugen, die nicht nur um seinet- und seiner Töchter willen, sondern auch zum Wohle der Gemeinde wichtig war. Sie schlug ihm Sauda, die Tochter des Zama‘a, vor und der Prophet war damit einverstanden.

Sauda war eine fröhliche und gutherzige Frau. Sie lebte in Mekka und war mit ihrem Cousin As-Sakran, dem Sohn des ‘Amr, verheiratet gewesen. Sie und ihr Mann gehörten zu den ersten Muslimen. Zusammen mit den anderen Anhängern des Propheten Muhammads waren sie in Mekka wegen ihres Glaubens gequält und geschlagen worden. Beide waren unter den Auswanderern, die nach Abessinien flüchteten. Bei ihrer Rückkehr nach Mekka starb ihr Mann. Sie war einige Jahre älter als Chadidscha

Chaula kam nun als Vermittlerin zum Hause Saudas und begrüßte sie mit den Worten: „Welche Güte und welchen Segen dir Allah gewährte, Sauda!“

Sauda fragte erstaunt: „Und welche Güte soll das sein, Chaula?“

Chaula antwortete: „Der Gesandte Allahs schickt mich, um für ihn um deine Hand anzuhalten!“

Sauda reagierte erfreut, aber zugleich beherrscht. Sie bat Chaula, zunächst ihren Vater davon zu unterrichten und wies zu dem Zimmer, in dem dieser sich aufhielt.

Saudas Vater Zama‘a war ein betagter Mann, der an seinem alten Glauben hing.

Als Chaula ihm Muhammads Antrag überbrachte, äußerte er sich nur ganz knapp über ihn: „Edel und fähig.“ Dann fragte er: „Und was sagt deine Gefährtin Sauda dazu?“
Sie erwiderte: „Sie mag es.“

Daraufhin rief Zama‘a seine Tochter zu sich und fragte sie: „O Sauda, diese hier behauptet, dass Muhammad Bin Abdullah sie zu dir geschickt hat, um dich um die Ehe mit ihm zu bitten. Er ist ein fähiger Mann, willst du, dass ich dich mit ihm verheirate?“ 

Sauda war sehr zufrieden damit und die Heirat wurde bald vollzogen. Zwar konnte sich niemand in der islamischen Gemeinschaft vorstellen, dass sie je die Stellung Chadidschas einnehmen könnte, da sie bereits in fortgeschrittenem Alter war, doch ihr Glaube verband sie aufs Innigste mit dem Propheten.

Sauda war sich wohl bewusst, dass Muhammad sie aus Güte und Barmherzigkeit geheiratet hatte, doch dies bedeutete für sie auch eine zweifache Auszeichnung: Zum einen war es eine Belohnung, da sie eine der ersten Musliminnen war, die dem Druck der Mekkaner nicht nachgegeben hatte und der Botschaft stets treu geblieben war, und zum anderen war es eine Aufnahme in den Schutz des Propheten.

Sauda wurde Muhammad eine freundliche, gütige, bescheidene und fröhliche Ehefrau. Oft erzählte sie ihm lustige Dinge, mit denen sie ihn zum Lachen brachte. So berichtete sie ihm eines Tages: „Ich habe hinter dir die Nacht hindurch gebetet, o du Gesandter Allahs, und fiel nieder mit dir, bis ich meine Nase festhalten musste, da ich befürchtete, dass Blut aus ihr tropfen würde!“

Darüber musste er herzlich lachen und verstand ihren Wink, für sie die freiwilligen Nachtgebete, die sie so gerne mit ihm gemeinsam
verrichtete, etwas zu erleichtern.

Nun versuchte der Prophet bei den Thaqif, den Bewohnern der Stadt Taif155 , seine Botschaft zu verbreiten – möglicherweise auch mit dem Gedanken, für seine verfolgte Gemeinde einen Zufluchtsort zu finden. Unwissenheit und Götzendienst waren dort aber noch stärker verbreitet als in Mekka. Sie schmähten und beschimpften den Propheten, dann hetzten die Anführer der Thaqif die Bewohner der Stadt auf ihn, die ihn mit Steinen bewarfen und ihn zwangen, Taif zu verlassen. Mit blutigen Füßen, aber geduldig, kehrte er nach Mekka zurück.

Unterwegs ließ er sich im Schatten eines Rebstockes nieder und betete sein heute noch bekanntes Gebet: „O Allah, zu Dir klage ich über meine Kraftlosigkeit, meine Hilflosigkeit und meine Armseligkeit unter den Leuten. O Barmherzigster der Barmherzigen, Du bist der Herr der Schwachen und Du bist mein Herr. Wem wirst Du mich überlassen? Einem Fremden, der mich misshandelt? Oder einem Feind, dem Dumich übergibst? Wenn Du mir nicht zürnst, bekümmert mich das nicht...“

Utba Bin Rabi‘a und sein Bruder Schayba, denen in Taif ein Weinberg gehörte, befanden sich zu jener Zeit dort und hatten gesehen, was dem Propheten widerfahren war. Obwohl sie Gegner des Propheten waren, schmerzte es sie, dass einer ihrer Stammesbrüder so von den Thaqif behandelt wurde. Sie riefen ihren Sklaven, einen Christen namens Addas: „Nimm diese Trauben und bring sie zu ihm!“

Als der Prophet danach griff, sprach er:

„Bismillah – Im Namen Allahs.“ Dann aß er davon

Addas sagte: „Die Menschen dieses Landes sprechen solche Worte  nicht!“

Darauf fragte der Prophet: „Aus welchem Land bist du, o Addas und was ist deine Religion?“ „Ein Christ aus Ninive“, antwortete er.

„Aus der Stadt des rechtschaffenen Propheten Jonas, dem Sohn des Matta“, fügte der Prophet hinzu.

Woher weißt du, wer Jonas, der Sohn Mattas, ist?“ fragte Addas. Der Prophet sagte: „Er ist mein Bruder, denn er war ein Prophet und ich bin ein Prophet.“ Addas beugte sich über ihn und küsste seinen Kopf, seine Hände und seine Füße

Als er wieder zu den zwei Brüdern ging, beschimpften sie ihn: „Wehe dir, was war das?“

„O mein Herr, auf dieser Erde gibt es keinen Besseren als diesen! Er hatmir von einer Sache berichtet, von der kein anderer wissen kann, außer einem Propheten!“

Auf dem Rückweg nach Mekka machte der Prophet halt in Nachla.158 Während er dort betete, kam eine Gruppe von Dschinn159 und hörte seiner Koranrezitation zu. Durch eine Offenbarung erfuhr der Prophet davon.160 Das sollte ein weiteres Zeichen für die Universalität seiner Botschaft werden. Er war nicht nur ein Prophet für die Menschen, sondern auch für die Dschinn. 

In Mekka wurde die Situation für die Muslime immer schlimmer. Niemand blieb verschont, selbst Abu Bakr nicht. Er wurde so lange bedrängt und gequält, bis er sich gezwungen sah, auszuwandern und Mekka verließ. Doch noch bevor er das Rote Meer erreichte, traf er einen edlen Mann aus Mekka namens Ibn Ad-Dughunna. Als dieser

hörte, was die Quraisch mit Abu Bakr gemacht hatten, sagte er zu ihm: „Bei Allah, du bist der Schmuck deines Stammes und ein Helfer im Kummer, du tust das Gute und hilfst den Bedürftigen.“

Er gewährte Abu Bakr Schutz, damit er nach Mekka zurückkehren konnte. Die Quraisch aber wollten ihm diesen Schutz nur unter einer Bedingung erlauben: Er dürfe nicht öffentlich beten und aus dem Koran rezitieren. Denn wenn er dies täte und dabei weine, würde es die Söhne und Frauen der Quraisch überzeugen. Da er die Bedingun-gen der Quraisch nicht akzeptierte, entließ Abu Bakr Ibn Ad-Dughunna von seinem Schutz und sagte: „Ich gebe dir deinen Schutz zurück, mir ist der Schutz Allahs genug.“ Abu Bakr blieb in Mekka und ertrug weiterhin geduldig die Schikanen der Quraisch.





















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