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Zurück nach Mekka
Die Quraisch hatten im Geheimen oft zum Ausdruck gebracht, dass sie den Friedensvertrag von Hudaibiya, an den sie nun gebunden waren, ursprünglich nicht wollten. Unauffällig nutzten sie die Zeit, sich militärisch zu stärken, um erneut gegen die Muslime zu Felde zu ziehen. Infolge des Abkommens von Hudaibiya waren verschiedene Bündnisse zwischen den arabischen Stämmen und den Muslimen beziehungsweise den Quraisch entstanden; so hatten die Muslime ein Bündnis mit den Bani Chuza’a, während die Quraisch eines mit den Bani Bakr hatten.
Das Friedensabkommen von Hudaibiya galt für alle. Es gab unter den Bani Bakr aber einige, die entschlossen waren, ihre alte Fehde mit den Bani Chuza‘a trotzdem fortzuführen.
Mit Hilfe der Quraisch, unter ihnen auch Ikrima, Abu Dschahls Sohn, verübten sie einen nächtlichen Überfall auf die Bani Chuza‘a. Sie kämpften gemeinsam gegen sie, bis sie im geschützten Bezirk mehr als zwanzig Männer, die dort Zuflucht gesucht hatten, töteten und damit nicht nur den Friedensvertrag mit dem Propheten verletzten, sondern auch den geschützten Bezirk entehrten, der gemäß Allahs Bestimmungein Ort des Friedens sein sollte, wo Blutvergießen ein noch größeres Verbrechen darstellt, als es ohnehin schon ist.
‘Amr Bin Salim von den Bani Chuza‘a ritt daraufhin in höchster Eile los und ruhte nicht, bis er bei Muhammad in Medina ankam, der in der Moschee unter seinen Leuten saß. In Gedichtform erzählte er ihm, was sich ereignet hatte und bat ihn um Hilfe.
Der Gesandte Allahs sagte: „Dir wird geholfen werden, o ‘Amr Bin D208 Salim.“
Kurz nach ‘Amr traf eine Delegation der Chuza‘a ein, die seine Schilderung bestätigte. Nachdem sie dem Propheten berichtet hatten, was geschehen war, kehrten sie nach Mekka zurück. Jetzt wurde auch den Quraisch bewusst, dass sie mit diesem Überfall das Abkommen von Hudaibiya gebrochen hatten. Der Prophet sprach zu den Muslimen: „Ich glaube, Abu Sufyan wird bald zu euch kommen, um den Vertrag zu bestätigen und zuverlängern.“ Tatsächlich traf die Delegation der Bani Chuza‘a auf ihrem Rückweg auf Abu Sufyan, der inzwischen aus Syrien zurückgekehrt war.
Die Quraisch schickten ihn aus Furcht vor den Konsequenzen ihres Verhaltens zum Propheten, um das Abkommen zu festigen und eine Verlängerung der Vertragsdauer zu erwirken, bevor dieser von ihrem Verrat erfahren würde.
Als Abu Sufyan unterwegs die Delegation der Bani Chuza‘a sah, warer schockiert und sicher, dass sie bereits mit dem Propheten gesprochen hatten. Er zog trotzdem weiter, denn er wusste, dass die Muslime niemandem etwas antaten, der sie nicht bekämpfte und ihr Leben gefährdete – erst recht nicht, wenn es sich um einen Boten handelte.
In Medina angekommen, begab er sich zunächst zu seiner Tochter Umm Habiba, die eine der Ehefrauen des Propheten war. Er wollte sich auf die Schlafmatte des Propheten setzen, doch seine Tochter reagierte schnell und faltete die Matte zusammen. Abu Sufyan fragte sie erstaunt: „Mein Töchterchen! Ich weiß nicht, ob du mich oder diese Schlafmatte vorziehst?“
„Das ist die Schlafmatte des Gesandten Allahs, und du bist ein unreiner Götzendiener. Ich mag nicht, dass du auf der Schlafmatte des Propheten sitzt!“ Sie hatte ihren Vater schon seit Jahren nicht mehr gesehen, aber ihre Liebe zum Propheten und zum Islam war größer als alles andere auf der Welt.
Als er sah, dass seine eigene Tochter nicht bereit war, ihm zu helfen, begriff er, dass der Friedensvertrag von Hudaibiya durch die Verbrechen der Quraisch aufgehoben war.
Ängstlich und unsicher begab sich der mächtigste Herr der Quraisch zum Propheten – von dem er keine Auskunft bekam. Dann bat er Abu Bakr, er möge sich für ihn beim Propheten einsetzen, und mit ihm reden. Doch Abu Bakr erwiderte, dass er dies nicht tun würde. Dann ging erzu Umar, der sagte: „Wie bitte? Ist es dein Ernst, dass ich mich für euch beim Gesandten Allahs einsetzen soll? Bei Allah, selbst wenn ich nichts als eine Ameise fände, womit ich gegen euch kämpfen könnte, würde ich euch bekämpfen!“
Schließlich versuchte Abu Sufyan es bei Ali und dessen Frau Fatima, der Tochter des Propheten. Auch diese beiden konnten und wollten ihm nicht helfen. Niedergeschlagen und ängstlich bestieg er sein Kamel und verließ Medina. In Mekka tadelten ihn die Quraisch dafür, dass er nichts erreicht und sich dazu noch lächerlich gemacht hatte.370 Nach der Verletzung des Abkommens durch die Quraisch stand für den Propheten fest, dass nur noch die Einnahme von Mekka den Frieden garantieren könnte.
Abu Bakr besuchte seine Tochter Aischa, die damit beschäftigt war, die Rüstung des Propheten vorzubereiten. Er fragte sie: „Meine Tochter, hat der Gesandte Allahs dir gesagt, du sollst seine Rüstung vorbereiten?“ „Ja! Mach du es auch“, sagte Aischa.
„Wohin will er deiner Meinung nach ziehen?“, fragte ihr Vater. Sie schwieg, um das Geheimnis ihres Mannes nicht zu verraten. Der Prophet befahl den Leuten, sich gut vorzubereiten, verriet ihnen aber nicht das Ziel. Er wollte seine Absicht verbergen, damit die Mekkaner sich nicht auch vorbereiten konnten. Er betete: „O Allah, enthalte den Quraisch die Sicht und die Nachrichten vor, bis wir sie in ihrem Land überraschen!“
Nach diesem Bittgebet erfuhr der Prophet durch Gabriel, dass ein Muslim namens Hatib einer Frau, die nach Mekka reiste, einen Brief
für die Quraisch mitgegeben hatte, um sie zu warnen. Der Prophet schickte ihr seine Gefährten Ali und Az-Zubair hinterher. Als sie ihr Gepäck durchsuchten und dort nichts fanden, schwor Ali bei Allah, dassder Prophet nie gelogen habe und drohte, sie zu urchsuchen, wenn sie den Brief nicht freiwillig übergebe. Als sie sah, wie sicher sich die beiden waren, holte sie den Brief, den sie in ihren Haaren versteckt hatte, heraus. Sie brachten Hatib und den Brief zum Propheten und fragten ihn nach seinem Beweggrund. Er sagte: „Weder habe ich meinen Glauben verlassen noch bin ich ein Heuchler geworden, o Gesandter Allahs. Aber bei den Mekkanern leben noch meine Frau und meine Kinder, die niemanden dort haben. Ich wollte für sie die Gunst der Quraisch gewinnen, damit diese ihnen nichts antun.“
Umar rief: „O Gesandter Allahs, lass mich den Kopf dieses Mannes abschlagen, denn er ist ein Heuchler geworden!“ Der Prophet erwiderte jedoch: „O Umar, was ist, wenn Allah auf die Kämpfer von Badr schaut und sagt: Tut, was ihr wollt, denn Ich vergebe euch.“ Er wollte die guten Seiten Hatibs nicht vergessen und verzieh ihm. Umars Augen wurden feucht, und er sagte: „Allah und Sein esandter wissen es besser.“
Die Muslime brachen auf. Unterwegs trafen sie auf Abbas und seine Frau Umm Al Fadl mit ihren Kindern, die sich endlich entschieden
hatten, nach Medina auszuwandern. Nun schlossen sie sich dem Propheten an.
Den Muslimen wurde schnell klar, in welche Richtung sie marschierten und es dauerte nicht lange, bis sie – fast zehntausend an der Zahl – vor Mekka standen.
Neben Abbas ritten die Vettern des Propheten, Abu Sufyan Bin Al Harith Bin Abdul-Muttalib372 und der Halbbruder seiner Frau Umm
Salama, Abdullah Bin Abu Umayya. Die beiden hatten das Heer der Muslime erreicht, als diese zwischen Medina und Mekka rasteten, und hatten Umm Salama um Erlaubnis gebeten, beim Propheten vorzusprechen. Sie bat den Gesandten, die beiden zu empfangen, aber wegen ihrer schlimmen Vergangenheit verweigerte er es ihnen zunächst.
Als Abu Sufyan Bin Al-Harith dies erfuhr, schwor er: „Bei Allah, entweder bekomme ich die Erlaubnis, ihn zu sehen, oder ich werde die Hand meines Sohnes nehmen und mit ihm in die Wüste ziehen, bis wir vor Durst und Hunger sterben!“ Da empfand Muhammad Mitleid und gab ihnen die Erlaubnis. Sie traten bei ihm ein und nahmen den Islaman.
Unterwegs zwischen Ardsch und Tulub374 sah der Prophet am Straßenrand eine Hündin liegen, die ihre Jungen säugte. Er befahl Dschuail Bin Suraqa, bei ihr zu bleiben und auf sie aufzupassen, bis alle Männer an ihr und ihren Jungen vorbeigezogen waren.
Als der Prophet schließlich in Marr Adhahran nahe bei Mekka lagerte, ließ er die Muslime, sobald es dunkel wurde, überall Lagerfeuer
anzünden. Die Quraisch entdeckten diese schon bald und glaubten, es läge eine riesige Streitmacht vor der Stadt. Abu Sufyan, Hakim376 und Budail ritten vor die Tore Mekkas – es war überwältigender Anblick. Abbas berichtete: „Ich ritt los und wollte einen Holzsammler oder Melker oder irgendjemanden, der nach Mekka unterwegs war, suchen und ihn beauftragen, den Mekkanern zu sagen, wo der Prophet sich jetzt befand, damit sie kämen und ihn um Sicherheit bäten, so dass er nicht mit Gewalt in die Stadt eindringen müsse.
Während ich mich umschaute, hörte ich Abu Sufyan, der mit Budail sprach. Er sagte gerade: ‚Solche Feuer und solche Streitkräfte, wie ich sie heute Nacht sehe, habe ich noch nie zuvor gesehen!‘ ‚Das sind ganz bestimmt die Feuer der Bani Chuza‘a, die sich nun im Kriegszustand befinden, um sich an uns zu rächen‘, meinte Budail. Abu Sufyan entgegnete: ‚Die Bani Chuza‘a sind viel weniger und zu gering, als dass dies ihre Feuer und ihre Armee sein könnten.‘ Da rief ich: ‚Abu Sufyan, dies ist der Gesandte Allahs.
Abu Sufyan fragte: ‚Was sollen wir tun?‘ Ich antwortete: ‚Wenn man dich hier findet, wird es dein Ende sein! Reite mit mir! Ich bringe dich zum Gesandten Allahs, damit ich ihn für dich um Schutz bitte!‘
Wir ritten, bis wir an Umars Lagerfeuer vorbeikamen. Er wollte wissen, wer wir waren. Als er Abu Sufyan erkannte, rief er: ‚Abu Sufyan, der Feind Allahs! Gepriesen sei Allah, Der dich ohne Vertrag und ohne Versprechen hierhergebracht hat!‘ Schnell lief er zum Propheten.“
Abbas setzte sein Tier in Galopp und kam gleichzeitig mit Umar beim Propheten an. Umar rief: „O Gesandter Allahs, Allah hat uns Abu
Sufyan ohne Vertrag übergeben!“
Abbas bat den Propheten, Abu Sufyan schützen zu dürfen. Der Gesandte Allahs erlaubte ihm, Abu Sufyan zu seiner Lagerstelle mitzunehmen und am nächsten Morgen wieder zu ihm zu kommen. Abu Sufyan übernachtete bei Abbas und nach Sonnenaufgang gingen beide zum Propheten. Der Prophet fragte freundlich: „Siehe, Abu Sufyan! Ist die Zeit nicht gekommen, zu bezeugen, dass es keinen Anbetungswürdigen außer Allah gibt?“
„Du, der du mir wertvoller bist als mein Vater und meine Mutter, wie milde, wie großzügig und wie liebenswürdig bist du! Wäre da ein anderer Gott außer Allah, hätte er mich nicht im Stich gelassen.“ Abbas bat den Propheten, etwas für Abu Sufyans Ansehen zu tun. Da sagte der Prophet: „Ja! Wer sich in das Haus Abu Sufyans begibt, ist sicher! Und jeder, der in seinem eigenen Haus bleibt, ist sicher! Und jeder, der sich bei der Kaaba aufhält, ist sicher!“
Als Abu Sufyan gehen wollte, bat der Gesandte seinen Onkel Abbas, ihn an jener engen Stelle des Tales aufzuhalten, durch welche die Armee ziehen würde, damit er die Streitmacht Allahs sähe. Er tat es, und als die Stämme mit ihren Bannern an ihnen vorbeizogen, fragte Abu Sufyan nach den jeweiligen Namen dieser Stämme.
Als der Prophet mit seiner grünen Abteilung vorbeiritt, fragte Abu Sufyan erneut: „Gepriesen sei Allah, o Abbas, wer sind diese?“ „Dies ist der Gesandte Allahs mit den Auswanderern und den Helfern“, antwortete Abbas
„Niemand hat die Macht, diese zu besiegen! Bei Allah, o Abbas, das Königreich deines Neffen ist heute mächtig geworden!“ „Das ist die Prophetenschaft, o Abu Sufyan“, antwortete Abbas. Abu Sufyan sagte: „Das ist wahr!“378 Der Anblick war atemberaubend.
Das Banner der Helfer wurde von Saad Bin Ubada getragen. Als er an Abu Sufyan vorbeiritt, rief er: „O Abu Sufyan, dies ist der Tag der Schlacht! An diesem Tag demütigt Allah die Quraisch!“ Als der Prophet Abu Sufyans Nähe erreichte, rief dieser: „O Gesandter Allahs, hast du befohlen, dein Volk zu töten?“ Und er wiederholte, was Saad gesagt hatte.
Auch Uthman und Abdurrahman Bin Awf waren besorgt: „O Gesandter Allahs, wir vertrauen Saad nicht!“ „Dies ist der Tag der Barmherzigkeit, der Tag, an dem Allah die Quraisch erhöht“, sagte der Prophet und schickte einen Boten zu Saad, um ihm zu sagen, er solle seinem Sohn Qays das Banner aushändigen.
Nachdem der Prophet an Abu Sufyan vorbeigezogen war, riet ihm Abbas, nun schnell zu den Quraisch zu gehen. Dort angekommen, rief Abu Sufyan ganz laut: „Ihr Quraisch! Muhammad ist mit einer Armee gekommen, gegen die ihr hilflos seid! Wer sich in Abu Sufyans Haus begibt, dem passiert nichts!“ Seine Frau Hind, die sich über ihn sehr aufregte, zog ihn am Schnurrbart und schrie: „Tötet ihn! Tötet diesen feigen, nichtsnutzigen Beschützer seines Volkes!“
„Wehe euch! Lasst euch nicht von dieser Frau anstiften, denn gegen MuhammadsArmee habt ihr keineMacht.Wersichin mein Haus begibt, dem passiert nichts!“ „Allah soll dich töten! Wem wird dein Haus reichen?“ Dann sagte er: „Wer in seinem Haus bleibt, ist sicher, und wer sich bei
der Kaaba aufhält, ist auch sicher.“ Die Leute gingen in ihre Häuser oder zur Kaaba und die Muslime marschierten in Mekka ein.
Im Angesicht des Sieges, den Allah ihm geschenkt hatte, hielt der Prophet sein Reittier an und verbeugte sich dankbar. Er senkte seinen Kopf bescheiden und in Demut, bis sein Bart den Sattel berührte.
Als er das Blitzen der Schwerter von Chalid und seiner Truppe sah, rief er: „Habe ich das Kämpfen nicht verboten?“381 Denn er hatte seine Heerführer verpflichtet, beim Betreten Mekkas nicht zu kämpfen, außer sie würden angegriffen.
Da sagte man ihm, dass Ikrima, Safwan und Suhail einige Männer der Quraisch und ihrer Verbündeten um sich geschart und Chalid den Weg versperrt hatten. Chalid bat Ikrima, den Weg freizumachen, denn der Prophet habe ihm befohlen, nicht zu kämpfen. Trotzdem wurde er angegriffen. Nachdem dreißig Götzendiener getötet worden waren, flüchteten die Angreifer zur Küste. Fatima, Umm Salama und Maymuna waren bereits vor dem Propheten in dem Zelt angekommen, das Abu Rafi‘ bei der Kaaba errichtet hatte.
Auch Umm Hani ging zu den Frauen, denn zwei von den Männern, die gegen Chalid gekämpft hatten, waren in ihr Haus geflüchtet und hatten sie um Schutz gebeten. Ihr Bruder Ali, der die beiden sah, als er seine Schwester besuchte, war damit nicht einverstanden.
Als der Prophet das Zelt erreichte, begrüßte er seine Cousine freundlich. Sie berichtete ihm von denen, die sie schützte, und er antwortete: „Wem du Sicherheit gibst, dem geben wir Sicherheit.“ Damit bekräftigte ererneut die hohe Stellung der Frau im Islam. Denn in der Zeit der Unwissenheit wäre es für die meisten Frauen undenk-bar gewesen, einen solchen Schutz zu gewähren.
Nachdem die Lage in Mekka sich beruhigt hatte, begab der Prophet sich zur Kaaba, wobei er mit einem Stab in der Hand den Schwarzen Stein berührte. Während er die Kaaba umschritt, richtete er ihn auf die Götzen, worauf sie alle, einer nach dem anderen, zu Boden stürzten,dreihundertsechzig an der Zahl. Dabei sprach er den Vers der Offenbarung: „Die Wahrheit ist gekommen, und das Falsche geht dahin; das Falsche ist ja dazu bestimmt, dahinzugehen.“
Anschließend vollzog er das übliche siebenmalige Umschreiten der Kaaba, den Tawaf, auf seinem Reittier.
Die Götzendiener hatten ihr falsches Handeln oft mit dem Willen der Götzen gerechtfertigt, die das Töten ihrer Kinder, vor allem das
lebendige Begraben ihrer Töchter, erlaubt haben sollten. Den Verzehr bestimmter Feldfrüchte und das Fleisch bestimmter Tiere hätten sie dagegen verboten.386 Als die Mekkaner nun sahen, dass ihre Götzen hilflos zu Boden stürzten, gab es keinen mehr unter ihnen, der nicht begriff, dass Muhammad nur ihr Bestes wollte. Sie sollten ihre Frauen und Kinder lieben, statt lebloser Steine – Bildnisse, die weder nützen noch schaden – es waren keine Götter, sondern eben nur Steine. Allah ist der einzige wirkliche Gott, der Schöpfer und Bewahrer aller Dinge. Zuvor waren sie der Meinung gewesen, der Prophet habe die Religion ihrer Väter beleidigt. Hubal, der größte Götze und ein Symbol der Unterdrückung, war Bestandteil der alten Religion. Nun hatten sie gesehen, dass weder Hubal noch die anderen dreihundertneunundfünfzig Götzen etwas ausrichten konnten.
Aber was sollte nun mit diesen Stein- und Holzfiguren geschehen? Der Prophet rief Uthman Bin Talha und ließ sich von ihm den Schlüssel zur Kaaba geben. Das Heiligtum wurde geöffnet und als er eintrat, fand erauch dort noch einige Statuen und Bilder, die er, wie all die anderen auch, zerstören oder auslöschen ließ.Die Menschen versammelten sich um ihn und er begann zu sprechen: „Es gibt keinen Anbetungswürdigen außer Allah allein. Er hat keinen Partner. Er hat Sein Versprechen verwirklicht und Seinem Diener zum Sieg verholfen. Er alleine besiegte die Verbündeten. O ihr Quraisch, Allah entfernte von euch die Großtuerei der Zeit der Unwissenheit und den Stolz auf die Stammesväter! Alle Menschen stammen von Adam ab, und Adam wurde aus Staub erschaffen!“ Um die Gleichheit der Menschen zu bekräftigen, trug er den Koranvers
vor, der die Gleichwertigkeit von Mann und Frau beschreibt: „O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget.
Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist. Gewiss, Allah ist Allwissend, Allkundig.“ Der Prophet rief: „Ihr Quraisch! Was glaubt ihr, was ich mit euch tun werde?“ Gespannt, aber hoffnungsvoll antworteten sie: „Gutes! Ein edler Bruder, der Sohn eines edlen Bruders bist du!“ Und er sprach mit den Worten der Verzeihung, die auch der Prophet Joseph schon zu seinen Brüdern gesagt hatte: „Siehe, ich spreche zu euch, wie mein Bruder Joseph: ‚Kein Tadel treffe euch heute! Allah möge euch verzeihen. Er ist ja der Barmherzigste der Barmherzigen.‘“ Dann setzte sich der Gesandte Allahs in die Moschee.
Da kam Ali mit dem Schlüssel der Kaaba in der Hand und bat ihn: „O Gesandter Allahs! Übertrage uns die Aufgabe, die Kaaba zu bewachen und die Pilger mit Wasser und Getränken zu versorgen!“ Der Prophet aber fragte, wo Uthman Bin Talha sei, der bis dahin den Dienst an der Kaaba innegehabt hatte. Als Uthman kam, sagte der Prophet: „Dies ist dein Schlüssel, Uthman. Heute ist der Tag der Güte und Treue.“ Und er vergab ihm unter anderem, dass er ihm eines Tages den Eintritt in die Kaaba verweigert hatte.
Der Prophet hatte nun all seine Feinde und Gegner in seiner Gewalt. Die Quraisch und ihre Verbündeten hatten die Muslime enteignet, verstoßen, eingesperrt, gefoltert, gequält und getötet – doch er vergab ihnen, in dem Bewusstsein, dass Rache nie zu Frieden und Erfolg führen kann, und gab damit ein gutes Vorbild.
Nachdem Abu Bakr seinen blinden Vater besucht hatte, brachte er ihn in die Moschee zum Propheten. Als Muhammad dies sah, sagte er: „Du hättest den alten Mann zu Hause lassen sollen und ich hätte ihn besuchen können.“
„Gesandter Allahs, er soll zu dir kommen und nicht umgekehrt.“ Der Prophet ließ ihn vor sich Platz nehmen, strich ihm mit seiner Hand über die Brust und sagte: „Werde Muslim.“ Da nahm er den Islam an.391 Als es Mittag wurde, bat er Bilal, auf das Dach der Kaaba zu steigen. Bilal kletterte hinauf und rief mit seiner klaren Stimme den Ruf des Islam, der die Einzigkeit Allahs bezeugt und Muhammad als Seinen Gesandten.
Der ehemalige, schwarze Sklave, der wegen seines Glaubens gefoltert worden war, stand nun auf dem Heiligtum, einem Platz, der sonst nur den Edelsten der Quraisch vorbehalten war. Es gab keine Unterschiede mehr aufgrund von Hautfarbe oder Abstammung. Fortan sollten allein gute Taten, Gottesfurcht und die Liebe zum Schöpfer zählen.
Männer und Frauen kamen zu Hunderten zu Muhammad, der sich auf dem nahegelegenen Hügel Safa befand – unter ihnen auch Hind, die Frau des Abu Sufyan, verschleiert, weil sie Angst hatte, der Prophet könne sie wegen dem, was sie getan hatte, zum Tode verurteilen. Sie sprach: „Gesandter Allahs, Preis sei Allah, Der die Religion siegen ließ, die ich nun für mich selbst gewählt habe.“ Danach zeigte sie ihr Gesicht und sagte: „Hind Bint Utba.“
„Du bist willkommen“, sagte der Prophet. Sie lobte Muhammad für seine Verzeihung, und als sie wieder zu Hause war, zerstückelte sie die Götzenfiguren, die sie dort hatte. 392 Nachdem Hind den Islam angenommen hatte, kam auch Umm Hakim, Ikrimas Ehefrau, zum Propheten und bat um Gnade für ihren Mann, der in Richtung Jemen auf der Flucht war. Der Prophet gab ihr die Sicherheit. Umm Hakim brach mit einem Begleiter auf, um Ikrima zurückzuholen, bevor er ein Schiff bestieg. Auch Safwan Bin Umayya war geflüchtet und wollte in Dschidda ins Meer springen, um sich umzubringen. Sein Freund Umair Bin Wahb, mit dem er einst einen Anschlag auf den Propheten geplant hatte, ging zum Propheten und bat um Sicherheit für Safwan, die ihm auch gewährt wurde.
Safwan aber hatte noch Bedenken und konnte nicht glauben, dass der Prophet ihm verzeihen würde. Er bat Umair um ein Zeichen des Propheten.
Umair ritt zurück nach Mekka und erzählte von der Unsicherheit Safwans. Der Prophet gab ihm seinen Turban als Zeichen der Sicherheit, was Safwan beruhigte. Als er schließlich beim Propheten ankam fragte er, ob er ihm wirklich Sicherheit gewähre. Der Prophet bestätigte es, doch Safwan wurde erst drei Monate später Muslim, nachdem er genug Zeit gehabt hatte, es sich zu überlegen.393 Einer der drei größten Götzen, Al-Uzza, befand sich in Nachla. Als der Wächter des dortigen Tempels erfuhr, dass Chalid kam, um ihn zu zerstören, band er dem Götzen ein Schwert um und sprach: „Verteidige dich und töte Chalid, oder werde Muslim!“
Umm Hakim beeilte sich, ihren Mann zu erreichen, bevor sie ihn für immer verlor. Doch er war schon an der Küste von Tihama angekommen und wollte gerade ein Schiff besteigen, als der Kapitän ihn aufforderte: „Sprich: ‚La ilaha illa Allah – es gibt keinen Anbetungswürdigen außer Allah!‘“
„Ich bin aber vor nichts anderem als ‚La ilaha illa Allah‘ geflüchtet!“, sagte Ikrima.396 Gerade noch rechtzeitig traf seine Frau ein und flehte ihn an, nicht zu fliehen, denn sie komme von einem Mann, dessen Güte und Milde beispiellos sei und bei dem er sicher sein werde. Gemeinsam kehrten sie zurück ..
Chalid und seiner Truppe gelang es inzwischen, den Götzen Al-Uzza zu zerstören. Die Götzendiener wunderten sich, dass das Steinbild, dem sie im Laufe der Jahre so viel Geld und Opfertiere dargebracht hatten, sich nicht zu wehren vermochte. Chalid tat sein Vater leid, der früher so viele Tiere für diese Steinfiguren geopfert hatte, die weder hören noch sprechen konnten.397 Ikrima ging als Gläubiger zum Propheten. Als er in Mekka ankam, setzte er sich mit seiner Frau zu ihm. Der Prophet lächelte ihn freundlich an und sagte: „Heute werde ich dir keinen Wunsch abschlagen.“ „Dann bitte Allah, dass Er mir meine Feindschaft dir gegenüber vergibt und alles, was ich dir angetan und zu dir gesagt habe!“, bat Ikrima.
Der Prophet verzieh ihm und bat Allah um Verzeihung für ihn. Dann rief Ikrima aus: „Was das Geld angeht, das ich ausgegeben, und die Kriege, die ich geführt habe, um die Menschen davon abzuhalten, der Wahrheit und dem Licht zu folgen, so werde ich ab jetzt auf dem Wege Allahs das Doppelte ausgeben, und für all die Kämpfe, die ich geführt habe, um den Weg Allahs zu versperren, werde ich doppelt soviel auf dem Wege Allahs kämpfen!“ Er hielt sein Wort und fing gleich damit an, die vielen Götzenbilder, die er zu Hause hatte, zu zerstören.